Aktuelles zur Managerhaftung und zur Versicherbarkeit von Geldbußen

Fast täglich gibt es Meldungen zu neuen Cybervorfällen. Und was tut sich in puncto Managerhaftung? Auch viel! Dies zeigt die aktuelle Rechtsprechung sowie die immer noch nicht beendete Diskussion, inwieweit Geldbußen versicherbar sind.

 

Aktuelle Rechtsprechung

An der unbegrenzten Haftung mit ihrem Privatvermögen hat sich für Manager nichts geändert. Und es gibt weiterhin keine wirklich klaren Grenzen für das, was sie dürfen und was nicht; nähern kann man sich dem nur mithilfe der Rechtsprechung. Hier einige rechtskräftige Entscheidungen aus den letzten Monaten:

Deliktische Haftung des AG-Vorstands[1]

Haftet eine Aktiengesellschaft gegenüber Dritten wegen einer Gesetzesverletzung und beruht dies auf einer Handlung ihres Vorstands, gilt nach einem Urteil des OLG Koblenz Folgendes: Der Vorstand ist gegenüber der Aktiengesellschaft nur dann nicht zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er unter umfassender Darstellung ihrer Verhältnisse und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger Rechtsrat eingeholt und diesen Rat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterworfen hat.

Steuerliche Haftung des Geschäftsführers wegen Übernahme- und Überwachungsverschuldens[2]

Wie ein Beschluss des Bundesfinanzhofs deutlich macht, kann sich ein Geschäftsführer einer GmbH nicht dadurch rechtfertigen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten (fortgeschrittenes Alter; unzureichende EDV-Kenntnisse, um Geschäftsvorfälle in der Firmen-EDV nachzuvollziehen) nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen. In diesem Fall hätte er von der Übernahme der Geschäftsführung absehen bzw. das Amt niederlegen müssen. Außerdem stellt der Bundesfinanzhof fest, dass der Geschäftsführer Berater sorgfältig auszuwählen und laufend zu überwachen hat, denen er die Erledigung steuerlicher Aufgaben überträgt. Anderenfalls handelt er grundsätzlich grob fahrlässig und haftet für verkürzte Steuern.

Organisationspflichten[3]

Das OLG Nürnberg hat bekräftigt, dass Geschäftsführer ein Überwachungssystem einzurichten haben, mit dem Risiken für den Unternehmensfortbestand erfasst und kontrolliert werden können. Unterlässt also ein Geschäftsführer z.B. ein Vier-Augen-Prinzip für riskante Tätigkeiten, so kann er für hierdurch entstehende Schäden haften.

Gehaltszahlungen zur Fortführung des Geschäftsbetriebs / Weisung des Gesellschafters[4]

Nimmt bei Insolvenzreife – d.h. bei (drohender) Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung – ein Geschäftsführer Zahlungen vor, die den Betrieb vorübergehend aufrechterhalten sollen, verletzt er nach Auffassung des OLG Düsseldorf seine Pflichten. Etwas anderes gilt nur, wenn der Geschäftsführer nachweisen kann, dass ansonsten der Betrieb sofort hätte eingestellt werden müssen und damit eine ernsthafte Chance zur Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren zunichte gemacht worden wäre. Mit Weisungen des Gesellschafters hingegen kann sich der Geschäftsführer regelmäßig nicht rechtfertigen.

Pflicht des Aufsichtsrats bei Zahlungen nach Insolvenzreife[5]

Zum gleichen Thema ist ein Urteil des Berliner Kammergerichts ergangen. Danach richtet sich die Pflicht, nach Insolvenzreife keine sorgfaltswidrigen Zahlungen mehr zu leisten, zwar allein an den Vorstand der Aktiengesellschaft. Den Aufsichtsrat trifft aber eine Beratungs- und Überwachungspflicht. Muss er erkennen, dass die Aktiengesellschaft insolvenzreif ist, hat er darauf hinzuwirken, dass der Vorstand verbotswidrige Zahlungen unterlässt.

Auskunftspflicht bei Verdacht einer Pflichtverletzung[6]

Ein Geschäftsführer bleibt nach erfolgter Abberufung und Beendigung seines Anstellungsvertrags der GmbH zur Auskunftserteilung verpflichtet. Er muss jedoch nicht jedwede Auskünfte erteilen, sondern allein solche, hinsichtlich derer die GmbH ein konkretes Informationsbedürfnis nachweisen kann. Dies hat der BGH entschieden.

Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen GmbH-Geschäftsführer[7]

Nach einem Urteil des OLG Naumburg steht in einer GmbH die Befugnis, Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer geltend zu machen, nur den Gesellschaftern zu. Einem ggf. eingerichteten Aufsichtsrat kann lediglich das Recht eingeräumt werden, den Prozess gegen den Geschäftsführer zu führen.

Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern einer AG wegen unterlassener Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand[8]

Für den – vom Gesetz vorgeschriebenen – Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften ist eine Entscheidung des OLG Hamm von Bedeutung, denn es bestätigt eine Rechtsauffassung, die seit dem wegweisenden BGH-Urteil im Fall „ARAG / Garmenbeck“ weit verbreitet ist: Aufsichtsratsmitglieder haften der Aktiengesellschaft, wenn sie von der Geltendmachung durchsetzbarer Schadensersatzansprüche gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder absehen und der Schaden nicht anderweitig kompensiert wird.

Haftungsausschließendes, stillschweigendes Einverständnis des Gesellschafters[9]

Nach einem Beschluss des BGH lässt der Umstand, dass ein Gesellschafter auf irgendeinem Weg Kenntnis von einer Maßnahme der Geschäftsführung erlangt hat, für sich genommen nicht zwingend darauf schließen, dass der Gesellschafter mit dieser Maßnahme auch einverstanden ist. Kenntnis bedeutet also nicht unbedingt Einverständnis, so dass in solchen Fällen der Geschäftsführer den Vorwurf einer Pflichtverletzung möglicherweise nicht durch ein Gesellschaftereinverständnis ausräumen kann.

Entlastung und Sorgfaltsmaßstab des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH[10]

Zur GmbH & Co. KG ist ein in zweierlei Hinsicht wichtiges Urteil des BGH ergangen: Entlastet die Kommanditgesellschaft ihre Komplementär-GmbH ohne Vorbehalte, gilt dies zugleich für deren Geschäftsführer; dadurch verliert die Kommanditgesellschaft ggf. Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer. Unabhängig hiervon hat der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH auch dann die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, wenn er selbst Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist.

Pflichtverletzung bei Produktentwicklung[11]

Ein Urteil des OLG Köln belegt erneut, dass Geschäftsführer auch für operative Tätigkeit unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen haften. Denn bei Lebensmittelherstellern kann Folgendes eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers darstellen: Er hat es versäumt, die dem Prokuristen zugeleiteten Unterlagen einer Behörde, welche die lebensmittelrechtliche Zulässigkeit des Produkts betreffen, selbst auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen.

Haftung in öffentlichen Unternehmen[12]

Nach einem Urteil des OLG Hamm gelten in GmbHs der öffentlichen Hand dieselben Haftungsregeln wie in privaten. Dies gilt nur, solange der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers nicht auf die Haftungsregeln verweist, die für Beamte gelten, und so z.B. die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.

 

Versicherbarkeit von Geldbußen

Geldbußen gegen Unternehmen fallen immer höher aus. Dies betrifft nicht nur Kartelle, sondern auch Datenschutzverstöße nach der EU-Datenschutzgrundverordnung. Der Blog „Dr. Datenschutz“, den Mitarbeiter der intersoft consulting services AG erstellen, nennt beispielhaft die unzulässige Videoüberwachung für Leistungs- und Verhaltenskontrollen (32 Mio. €) oder Werbe-Cookies ohne ausdrückliche Einwilligung (10 Mio. €).

In solchen Fällen liegt es auf der Hand, dass Unternehmen ihren durch die Bußgeldzahlung entstandenen Schaden ausgleichen wollen. Ziel solcher Regressforderungen ist – wegen ihrer unbegrenzten Haftung für Vermögensschäden – die regelmäßige Kontrolle der eigenen Organmitglieder. Sie benötigen bei einem Bußgeldregress unbedingt den Schutz ihrer D&O-Versicherung.

Doch ist ein Bußgeldregress überhaupt zulässig oder unterläuft er den Sanktionszweck der Geldbuße? Dies ist umstritten.

Keine gesetzliche Regelung

Ein wichtiger Hinweis fand sich im Referentenentwurf des Innenministeriums für das „NIS-2-Umsetzungs- und Cybersicherheitsstärkungsgesetz / NIS2UmsuCG“. Dort war speziell geregelt, dass Geschäftsführer wichtiger Einrichtungen gehalten sind, Risikomanagementmaßnahmen zu ergreifen, und bei deren Verletzung haften. Diese Haftung, so die Begründung des Innenministeriums, sollte auch Regressansprüche für Geldbußen umfassen. Ein späteres Diskussionspapier des Innenministeriums sieht diesen speziellen Haftungstatbestand jedoch nicht mehr vor. Damit ist fraglich, ob das Gesetz oder seine Begründung an der dargestellten Haftung festhalten wird und sei es auch nur für die allgemeinen Tatbestände der Geschäftsführerhaftung im GmbH- und Aktiengesetz.

Urteil des BGH zur Steuerberaterhaftung

Allerdings kann für Verstöße gegen Risikomanagementmaßnahmen, die insbesondere im Rahmen der D&O-Versicherung interessieren, ein Urteil des BGH zur Steuerberaterhaftung herangezogen werden: Wer eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, müsse die gegen ihn verhängte Sanktion selbst tragen und damit auch eine Geldbuße aus dem eigenen Vermögen aufbringen. Er könne jedoch trotz dieser Pflicht eine andere Person auf Ersatz für den Vermögensnachteil, der durch ihm die Bußgeldzahlung entstanden ist, in Regress nehmen.

Keine Übertragbarkeit auf die Managerhaftung?

Gegen eine Übertragbarkeit dieses Urteils auf die Managerhaftung argumentiert etwa das OLG Düsseldorf mit dem Zweck einer sog. Verbandsgeldbuße. Bei einer Verbandsgeldbuße handelt nämlich zusätzlich das Unternehmen selbst ordnungswidrig – und muss eine Geldbuße zahlen –, falls sein Geschäftsführer eine Ordnungswidrigkeit begeht. Würde nun dem Unternehmen seine Verbandsgeldbuße von demjenigen ersetzt (Geschäftsführer), der sie durch seine Ordnungswidrigkeit gerade ausgelöst hat (Geschäftsführer), gäbe es durch diesen Geldersatz de facto keine Verbandsgeldbuße mehr und damit auch nicht mehr die vom Gesetzgeber gewünschte Sanktionierung des Unternehmens.

Aber auch wenn diese Überlegung zuträfe: In vielen Fällen wird von vornherein kein Raum für eine Verbandsgeldbuße sein. Dies gilt etwa für Geldbußen aufgrund des NIS2UmsuCG. Denn die Pflicht zur Durchführung von Risikomanagementmaßnahmen trifft dort ausschließlich das Unternehmen[13] und nicht zugleich die Geschäftsführung. Die bei einem Pflichtverstoß vorgesehene Ordnungswidrigkeit[14] begeht daher allein das Unternehmen selbst, nicht aber zusätzlich der intern für die Umsetzung verantwortliche Geschäftsführer. Die europäische Datenschutzgrundverordnung oder das Kartellrecht legen der Geschäftsführung ebenfalls keine Pflicht zur Durchführung von Risikomanagementmaßnahmen auf. Insoweit können also auch diese Bußgeldvorschriften keine Ordnungswidrigkeit der Geschäftsführung begründen.

Damit fehlt der Argumentation mit Verbandsgeldbußen in den praktisch relevanten Fällen bereits die Grundlage.

Fazit:

Bei allen Unternehmensgeldbußen verbleiben Haftungsrisiken. Zusätzlich kann im Ausland auch das Risiko einer echten Geldstrafe, die dort gegen ein Unternehmen verhängt werden kann, hinzukommen. Daher ist es unerlässlich, D&O-Versicherungsschutz für sämtliche Rechtsgrundlagen von Bußgeldern und Strafen zur Verfügung zu stellen und dies auch mit einer an die Höhe drohender Bußgelder angepassten Versicherungssumme. Während immer noch zahlreiche Bedingungen im Markt das Regressrisiko ausschließen, gewährleisten die SÜDVERS-Konzepte seit jeher ungeachtet zwischenzeitlicher Marktverhärtungen Versicherungsschutz und sind außerdem in der Lage, ausreichend hohe Versicherungssummen bereitzustellen.

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[1] OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 12.10.2022 – 5 U 1188/22

[2] BFH, Beschluss vom 15.11.2022 – VII R 23/19

[3] OLG Nürnberg, Urteil vom 30.3.2022 – 12 U 1520/19

[4] OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.12.2021 – 12 U 23/21

[5] KG, Urteil vom 29.4.2021 – 2 U 108/18

[6] BGH Beschluss vom 22.6.2021 – II ZR 140/20

[7] OLG Naumburg Urteil vom 29.4.2021 – 2 U 91/20

[8] OLG Hamm, Urteil vom 6.4.2022 – 8 U 73/12

[9] BGH Beschluss vom 8.2.2022 – II ZR 118/21

[10] BGH, Urt. v. 22.9.2020 – II ZR 141/19

[11] OLG Köln, Beschl. v. 15. 10. 2020 – 4 U 82/19

[12] OLG Hamm, Urteil vom 08.03.2023 – 8 U 198/20

[13] § 30 Absatz 1 NIS2UmsuCG

[14] § 64 Absatz 2 Nr. 2 NIS2UmsuCG